zurück zum Artikel

Der neue Van tritt zu einem echten Kampfpreis an

Dacia Lodgy: Wie fährt sich der günstige Raumriese?

Fahrberichte rhi

Mit dem Lodgy setzt auf ein bei Dacia bewährtes Rezept: Der Van bietet viel Auto für vergleichsweise wenig Geld. Wir konnten uns vom Lodgy schon einen ersten Eindruck verschaffen

Marrakesch (Marokko), 26. April 2012 – Mehr als 41.000 Fahrzeuge konnte Dacia im vergangenen Jahr in Deutschland verkaufen. Mit dem neuen Lodgy könnten es in 2012 noch mehr werden, denn der Van setzt auf ein bei Dacia bewährtes Rezept: Er bietet viel Auto für vergleichsweise wenig Geld. Wir konnten uns vom Lodgy schon einen ersten Eindruck verschaffen.

Robuste Verarbeitung

Mit einer Länge von 4,50 Meter liegt der Lodgy knapp über dem Niveau von VW Touran [1] (zehn Zentimeter kürzer) oder dem Opel Zafira (vier Zentimeter kürzer). Eine Höhe von 1,71 Meter und ein Radstand von 2,81 Meter lassen ordentliche Platzverhältnisse erwarten. In diesem Punkt enttäuscht der Wagen nicht, doch dazu später mehr.

Die teureren Lodgy-Versionen tragen eine Chromleiste im Kühlergrill. Diese Linie setzt sich im Innenraum fort. Das Cockpit glänzt je nach Ausstattungsvariante mit etwas Chrom an Lüftungsdüsen und Applikationen in Klavierlackoptik. Dennoch bleibt sich Dacia treu: Der Innenraum wird Pragmatiker glücklich machen, wer dagegen feine Haptik und gediegene Materialien haben will, ist hier falsch. Die verbauten Kunststoffe sind robust, was in einem Familienauto ganz sicher kein Fehler ist. Zahlreiche Elemente des Cockpits sind schon aus anderen Dacia-Modellen bekannt. Vorteilhaft sind die vielen Ablagen, darunter ein großes Fach mit Deckel auf dem Armaturenbrett.

Nun auch mit Navi

Premiere hat auch das von LG entwickelte Navigationssystem mit Sieben-Zoll-Bildschirm. Es ist einfach zu handhaben, verzichtet aber aus Kostengründen auf einen CD-Player. Macht nichts, denn die eigene Musik kann per USB- oder AUX-Anschluss abgespielt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Musik per Bluetooth vom Handy zu importieren. Umständlich ist lediglich der klassische Renault-Bediensatellit für die Lautstärke an der Lenksäule, hier wären Knöpfe auf dem Lenkrad besser.

Kein echter Tempomat

Auf dem Lenkrad ist nur ein Schalter für den meist serienmäßigen Geschwindigkeitsbegrenzer vorhanden. Diese Bezeichnung ist wörtlich zu verstehen, denn es handelt sich nicht um einen klassischen Tempomat. Der Fahrer kann nur eine Geschwindigkeit vorwählen, bei dessen Überschreitung ein Widerstand im Gaspedal zu spüren ist. Kostengründe seien hierfür ausschlaggebend gewesen, heißt es.

Dacia betont, dass ESP beim Lodgy zur Serienausstattung gehört – doch für neu homologierte Fahrzeuge ist der Schleuderschutz seit November 2011 ohnehin gesetzlich vorgeschrieben [2]. Was dabei etwas untergeht: Der Lodgy hat zwar Front- und Seitenairbags vorn, doch mehr gibt es auch gegen Aufpreis nicht.Das ist für ein flammneues Auto, dass sich vorwiegend an Familien wendet, ein echter Makel.

Reichlich Raum

Das Thema Platzangebot dürfte potenzielle Lodgy-Fans sicherlich am meisten interessieren. Fahrer und Beifahrer genießen eine gute Rundumsicht auf ordentlichen Sitzen, denen es aber an Seitenhalt fehlt. In der erhöhten Reihe zwei finden drei Personen bequem Platz. Drei Isofix-Befestigungen gehören zur Serienausstattung. Eine Überraschung gibt es auf der 590 Euro teuren, dritten Sitzbank. Hier sitzen sogar Erwachsene kommod, 87 Zentimeter Kopf- und ausreichend Kniefreiheit machen es möglich. Für die zwei Personen in Reihe drei gibt es zudem Getränkehalter und jeweils einen Haltegriff an der Decke, ausstellbare Seitenfenster sorgen für frische Luft.

Wickeln für mehr Platz

Versenkbare Sitzreihen wie im Opel Zafira sucht man im Dacia Lodgy vergeblich. So funktioniert die Variabilität im Siebensitzer: Sind alle Sitze belegt, passen 207 Liter Gepäck hinter die große Heckklappe. Bei der dritten Bank können die Lehnen umgelegt werden, dann wird das entstandene Paket nach vorne umgelegt, also gewickelt. Leider lauert scharfkantiges Metall nahe der Zugschlaufen und Hebel. Übung macht hier den Meister, spätestens, wenn es an den fummeligen Ausbau der 18 Kilogramm schweren dritten Reihe geht. So wird der Lodgy zum Fünfsitzer und schluckt üppige 827 Liter Gepäck, mehr als ein Renault Espace. Auch die geteilt umlegbare zweite Sitzreihe muss gewickelt werden, dann stehen 2617 Liter zur Verfügung. Die Zuladung beträgt je nach Motor zwischen 635 und 590 Kilogramm.

Akzeptabler Basismotor

Der Lodgy bekommt einen modernen 1,2-Liter-Benziner, der 115 PS leistet und seit kurzem auch im Renault Mégane angeboten wird. Dort hat er in unserem Fahrbericht einen guten Eindruck hinterlassen, sodass wir vermuten, dass er im Lodgy zu den empfehlenswerten Antrieben gehören wird. Fahren konnten wir ihn in dem Van noch nicht, er wird dort erst ab Herbst 2012 zur Verfügung stehen.

Bis dahin gibt es nur einen Benziner. Er leistet 83 PS und macht seine Sache besser als erwartet. Die Fahrleistungen reichen zum Mitschwimmen im Verkehr vollkommen aus, sportliche Ambitionen sollte trotz des vergleichsweise geringen Gewichts von nur 1,3 Tonnen keiner erwarten. Die 1,6-Liter-Maschine bleibt bis etwa 70 km/h akustisch zurückhaltend, erst ab 100 km/h beziehungsweise 3000 Touren meldet sich die Maschine zu Wort, auch weil ein sechster Gang fehlt. Damit ist der kleine Otto eine Empfehlung für alle, die einen geräumigen Zweitwagen für Kindertransport und Einkäufe suchen. 11.990 Euro inklusive Klimaanlage, höhenverstellbarem Fahrersitz und höhenverstellbarem Lenkrad, Dachreling und elektrischen Fensterhebern vorne sind ein verlockendes Angebot.

Starker Diesel mit Schwächen

Wer hingegen einen vollwertigen Erstwagen für die Familie sucht, sollte zum laufruhigen Diesel mit 107 PS greifen. Bei Autobahntempo sind hier mühelos Unterhaltungen möglich, denn nur dieser Maschine gönnt Dacia einen sechsten Gang. Leider ist die Schaltung etwas hakelig. Störender ist die spürbare Antrittsschwäche: Erst bei 1750 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment von 240 Nm an, darunter tut sich kaum etwas. Auf hügeligen Landstraßen sitzt man ein wenig zwischen den Stühlen: Die lange Übersetzung senkt zwar den Geräuschpegel, lässt aber den Wagen oft am Berg verhungern. So helfen nur der Griff zum Knüppel und die Wahl des niedrigeren Gangs mit damit verbundenen höheren Drehzahlen, um den Diesel bei Laune zu halten. Ein Diesel mit 90 PS ergänzt das Angebot.

Ein Kurvenjäger ist der Dacia Lodgy nicht, dafür sorgt schon die relativ synthetische Lenkung. In schnell gefahrenen Kurven bleibt der Wagen gut beherrschbar und schiebt im Grenzbereich über die Vorderräder, so dass der Fahrer sofort weiß, wann er sich zurücknehmen muss. Generell ist das Fahrwerk auf Komfort ausgelegt, grobe Unebenheiten werden aber nach innen durchgereicht, wozu das relativ straffe Abrollverhalten mit beiträgt.

Gut ausgestattetes Topmodell

Zur Wahl stehen zum Marktstart am 16. Juni 2012 insgesamt vier Ausstattungslinien, die jeweils 1000 Euro auseinander liegen. Fast schon luxuriös ist die Topversion namens Prestige, die für die jeweils stärksten Motoren erhältlich ist: Navigationssystem, elektrische Fensterheber hinten, Einparkhilfe am Heck und 16-Zoll-Leichtmetallräder gehören hier zum Serienumfang. Der 110-PS-Diesel kostet so ausgestattet 16.290 Euro.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1560414

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Vergleich-Peugeot-3008-Toyota-Verso-und-VW-Touran-1134764.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/ESP-wird-Pflicht-aber-noch-nicht-fuer-alle-Autos-1367224.html