Metas langer Atem: Threads ist gekommen, um zu bleiben

Threads ist nun auch in der EU verfügbar. Der Ansturm hält sich in Grenzen. Eva-Maria Weiß sieht trotzdem große Erfolgschancen.

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Threads, X/Twitter und Mastodon auf Smartphone

(Bild: Meta)

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Meta hat Threads nun auch in der EU verfügbar gemacht. Dazu mussten ein paar Feinheiten geändert werden, etwa eine Trennung der Konten von Instagram und Threads. Sonst drohte Konflikt mit dem Digital Markets Act (DMA) und der hiesigen Politik wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken. Der erste Ansturm auf die App war dennoch eher flach. Meta hat aber schon mehrfach einen wirklich langen Atem bewiesen. Geld gibt es genug. Und Metas Erfolg beim Kopieren ist gut bekannt. Threads hat also beste Chancen, sich zumindest ein Stück weit durchzusetzen.

Zunächst einmal schien der Start ein klein wenig misslungen. Während Webversion und Android-App pünktlich zum angekündigten Start am Donnerstag um 12 Uhr erschienen, ist im Apple App Store erst eine gute halbe Stunde später die App zu finden. Das Veröffentlichungsdatum hatte Meta tagelang ausschließlich etwas mysteriös als Countdown auf Instagram verpackt. Erst zum Start hat es die entsprechende Pressemitteilung gegeben. "Threads oder nie", lautet da der Schriftzug auf einem mitgeschickten Foto, das einen Lastwagen vor dem Brandenburger Tor zeigt. Menschen sieht man nicht.

Eine Analyse von Eva-Maria Weiß

Eva-Maria Weiß hat an der Universität Wien Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpsychologie studiert und arbeitet seither als Journalistin.

Menschen, die stolz bei Instagram zeigen, dass sie nun bei Threads sind, sieht man diesmal auch nicht – oder zumindest weniger. Das war im Sommer der Fall, als Threads erstmals erschien. Es war der erfolgreichste Start eines Dienstes jemals, nach einer Stunde waren eine Million Menschen angemeldet. ChatGPT brauchte dafür fünf Tage – was vor Threads Rekord war.

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Doch der stete Tropfen höhlt den Stein. Mit dieser Strategie hatte Meta bereits mehrfach Erfolg. Die Stories, wie wir sie seit Jahren von Instagram kennen, stammen ursprünglich von Snapchat. Meta hat sie kopiert. Niemand wollte sie. Und irgendwie haben sie sich dann doch durchgesetzt – so sehr, dass es inzwischen auch bei WhatsApp und Signal eine solche Statusfunktion gibt. Die Reels, die es bei Facebook und Instagram gibt, hat Meta von Tiktok kopiert. Es sind Kurzvideos, die, genau, ebenfalls niemand auf den beiden genannten Plattformen wollte und die dann trotzdem plötzlich von allen genutzt wurden.

Zum Erfolg der beiden Funktionen trägt auch bei, dass Meta Creator in gewisser Weise unter Druck setzt, sie nutzen zu müssen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass besser ausgespielt wird, wer mehr postet und mehr verschiedene Wege dafür nutzt. Aktuelles Beispiel dafür sind die Broadcast-Channel, die es für Instagram und WhatsApp gibt. Creator müssen sie betreiben, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Aber nicht nur Metas Erfolgsgeschichten zeugen vom langen Atem, auch das Metaverse macht klar: Mark Zuckerberg ist zäh. Zwar wird dank des KI-Hypes lange nicht mehr so viel über die Zukunft des Metaverse gesprochen, aber auch Apples Vision Pro im kommenden Jahr erscheinendes Headset wird dem Konzept wahrscheinlich zusätzliches Leben einhauchen.

Die Welt sucht noch immer nach einer Twitter-Alternative. Ob es jemals eine solche geben wird, sei dahingestellt. Möglich ist auch, dass es viele verschiedene Alternativen geben wird, je nach speziellem Bedarf. Threads könnte jedoch einiges verbinden. Netzwerke leben vom Netzwerkeffekt, wenn besonders viele Menschen da sind, wollen auch gleich noch mehr Menschen, Organisationen und bekannte Personen dort sein. Nicht zuletzt deshalb gefiel der EU die Verbindung mit Instagram nicht – diese sorgte für einen Wettbewerbsvorteil im Gegensatz zu sozialen Netzwerken, die von Grund auf aufgebaut werden müssen.

Immer wieder werden und wurden Mastodon und Bluesky als mögliche weitere Konkurrenten um die Nachfolge von Twitter gehandelt. Während Bluesky auf Invites und offensichtlich langsames Wachstum setzt, muss Mastodon nun damit klarkommen, dass sie nicht mehr Konkurrent zu Threads sind, sondern Mitspieler. Meta war so schlau, eine Anbindung an das Fediverse zu schaffen. Offizieller Grund: man wolle sich öffnen, sehe darin großes Potenzial auch für Creator. Tatsächlich hat es keinen ernstzunehmenden Nachteil für Meta, stattdessen kann es das Image verbessern und bringt vielleicht noch drei Nutzer mehr. Kaum jemand wird Instagram oder Threads verlassen und stattdessen einen Mastodon-Account pflegen.

Meta selbst sagt, sie wollen gar keine Twitter-Alternative sein und explizit keine politischen und nachrichtlichen Beiträge priorisieren. Diese Aussage kennen wir nur zu gut von Tiktok. Das chinesische Mutterunternehmen Bytedance nutzt das Argument jedes Mal, wenn es Vorwürfe gibt, dass politische Inhalte zensiert würden.

Wunderlich ist, dass Meta erst vor wenigen Tagen angekündigt hat, eine Fakten-Check-Funktion für Threads einzuführen, die es bei Instagram bereits gibt. Die Funktion ist genau für politische Inhalte sinnvoll. Und das Fehlen einer solchen Funktion und dazugehöriger Moderation ist es, was Twitter immer unmöglicher macht, was wiederum ja erst dazu führt, dass nach einer Alternative gesucht wird.

Alles in allem sind das sehr viele Gründe, die für einen Erfolg von Threads sprechen. Dazu kommt: Facebook wird von vielen Menschen genutzt, nicht aber von jungen Leuten. Für Meta ist Threads auch eine Chance, mit relativ geringem Aufwand, neue Zielgruppen heranzuziehen. Die bisherigen Nutzungszahlen klingen zwar noch anders, aber es wollte auch niemand Reels haben.

(emw)