Bericht: Hackarazzi spähten im Auftrag von britischen Boulevard-Blättern

In Großbritannien sind möglicherweise hunderte Personen Opfer von Hackern geworden, die Handys im Auftrag von Reportern nach persönlichen Daten durchforstet und abgehört haben.

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In Großbritannien sind möglicherweise hunderte Personen Opfer von Hackern geworden, die Handys im Auftrag von Reportern nach persönlichen Daten durchforstet und abgehört haben. Der Zeitung Guardian liegen nach eigenen Angaben Informationen vor, nach denen Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Künstler und Sportler betroffen seien, darunter der ehemalige britische Vizepremierminister John Prescott und die Schauspielerin Gwyneth Paltrow. Der Medienkonzern News Group habe mehr als 1 Million Pfund (1,15 Millionen Euro) bezahlt, um Rechtstreitigkeiten um gehackte Mobiltelefone von drei Personen außergerichtlich und gegen Stillschweigen beizulegen. Insgesamt könnten bis zu dreitausend Personen von den Spitzeleien im Dienste von Boulevard-Reportern auf der Jagd nach exklusiven Geschichten betroffen sein.

Die beigelegten Rechtsstreitigkeiten stehen laut dem Bericht in Verbindung mit dem – bisher einzig bekannt gewordenen – Fall Clive Goodman, einem Reporter des News-Corp.-Blattes News of the World. Dieser war 2007 zu einer Haftstrafe verurteilt worden, da er Hacker damit beauftragt hatte, in die Mobiltelefone von Bediensteten des Königshauses einzudringen. Zu der Zeit habe News International, das Dach über News of the World, von The Sun und The Times versichert, Goodman habe auf eigene Faust gehandelt, er sei ein Einzelfall.

Doch der Guardian schreibt nun, laut gerichtlichen Unterlagen habe ein ebenfalls 2007 verurteilter Privatdetektiv Nachrichten vom Telefon des Fußballverbandschefs Gordon Taylor ausgekundschaftet und einem Mitarbeiter von News of the World übergeben. Dieser habe sie transkribiert und per E-Mail einem Vorgesetzten zukommen lassen. Die britische Aufsichtsbehörde Information Commission teilt mit (PDF-Datei), im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur illegalen Ausspähung Taylors habe sich gezeigt, dass sich 31 Journalisten, die für News of the World und The Sun arbeiten, erschlichene Daten angeeignet hätten.

Commissioner Paul Stephenson von der Londoner Polizei hat laut einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg Untersuchungen zu den Vorwürfen angekündigt. News-Corp.-Chef Rupert Murdoch habe nach eigenen Angaben keine Kenntnis von den Schweigegeldzahlungen gehabt. "Wenn es passiert wäre, hätte ich es gewusst", sagte Murdoch laut Bloomberg auf einer Konferenz in den USA. In den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses in Großbritannien gerät auch Andy Coulson, heute Kommunikationsdirektor des konservativen Parteiführers David Cameron. Er war von 2003 bis 2007 Chefredakteur der News of the World. Von diesem Posten war Coulson kurz nach der Verurteilung Goodmans zurückgetreten. Seinerzeit hatte Coulson beteuert, nichts von den Vorgängen gewusst zu haben.

Neben News-Corp.-Managern gerät für den Guardian die Polizei ins Zwielicht, da sie die Personen, die Opfer von Ausspähaktionen geworden sind, offenbar nicht gewarnt habe. Der Crown Prosecution Service sei nicht allen möglichen Verdächtigungen gegen Mitarbeiter der News Corp. nachgegangen. Die Press Complaints Commission (PCC), die britische Presse-Selbstkontrolle, habe zwar behauptet, 2007 Untersuchungen (PDF-Datei) zum Fall Goodman eingeleitet zu haben, habe aber keine Beweise für illegale Aktivitäten ans Tageslicht bringen können. Die PCC wiederum weist in einer Mitteilung darauf hin, dass die kriminalistischen Aspekte von der Polizei und dem Gericht beleuchtet worden seien. Sie selbst habe seinerzeit auf offene Fragen hingewiesen und Empfehlungen erarbeitet. (anw)