Maskierte Interrupts und mythische Mann-Monate: Zum Tode von Fred Brooks

Im Alter von 91 Jahren ist der Informatiker und Computer-Pionier Fred Brooks gestorben. Zwei Sätze aus seinen Schriften wurden zu "Computer-Gesetzen" erklärt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen

Frederick P. Brooks Jr. (1931 - 2022)

(Bild: David.Monniaux, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wie die University of North Carolina (UNC) in Chapel Hills erklärte, ist Fred Brooks gestorben. Der Chefentwickler der IBM System/360 hat zahlreiche Spuren in der Computergeschichte hinterlassen. So erfand er zusammen mit Dura W. Sweeny den maskierten Interrupt und konstruierte für die NSA den ersten Hochleistungs-Scanner. Bekannt wurde er mit seinen zwei "Gesetzen" in seinen gesammelten Aufsätzen über die Entwicklung von Hard- und Software. Brooks's Law 1: "Adding manpower to a late software project makes it late" (etwa: Ein bereits verspätetes Softwareprojekt verzögert sich durch zusätzliche Arbeitskräfte weiter). Brooks's Law 2: "The second system is the most dangerous system a man ever designs" (etwa: Das zweite System, das jemand entwirft, ist das gefährlichste). Brooks leitete 20 Jahre lang den Informatik-Bereich der UNC, der sich auf die Forschung der virtuellen Realität spezialisierte, und erhielt dafür 1999 den Turing Award.

Frederick P. Brooks Jr. wurde am 19. April 1931 als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin in Durham im US-Bundesstaat North Carolina geboren. Die Familie war streng gläubig protestantisch, Sport war dem jungen Fred untersagt, Partys ebenso. Der junge Fred verlegte sich aufs Radio-Basteln und konstruierte einen Sound-Verfremder für Plattenspieler, der auf Partys großen Anklang fand. Im Alter von 13 Jahren sammelte er 1944 alle Informationen über den Harvard Mark I Computer, den Howard Aiken konstruiert hatte. Sein Ziel stand damit fest: Er studierte Physik und Mathematik mit dem Ziel, zu Aikens Mannschaft zu gehören. Das erreichte er tatsächlich: Als Doktorand in Harvard wurde er von Aiken betreut und konnte 1954 am Mark IV erste praktische Computer-Erfahrungen sammeln. Sein Zimmergenosse war Kenneth Iverson, der die Programmiersprache APL erfand und dafür 1979 den Turing Award gewann. Beide veröffentlichten darüber 1955 ein wichtiges Buch namens "Automatic Data Processing". Es war Brooks' Einstieg als einflussreicher Autor.

Howard Aiken vermittelte Fred Brooks an IBM, wo dieser 1956 an der Entwicklung des streng geheimen Computers Stretch mitarbeitete, von dem neun Exemplare gebaut wurden. Hier schloss Brooks wichtige Freundschaften mit Gene Amdahl, Gerrit Blaauw, Werner Buchholz, John Cocke und Elaine Boehm. Brooks' erstes eigenes Projekt war "Harvest", ein Scanner für die NSA, der dreimal größer als der Stretch-Computer war und zwei Seiten pro Sekunde einlesen konnte. Nach der Arbeit am Strech entwickelten Amdahl, Brooks, Cocke und Boehm einen Forschungscomputer, den sie ABC nannten, und experimentierten mit neuen Ansätzen wie Pipelining und Interrupts. Zusammen mit Dura W. Sweeny erfand Brooks bei der Arbeit am ABC den maskierten Interrupt.

Nach dem Projekt wurde Brooks 1961 zu seiner eigenen Überraschung und entgegen den Empfehlungen seines Vorgesetzten bei IBM zum Leiter der Abteilung "Systems Architecture" ernannt, die den künftigen Universalrechner namens System/360 entwickeln sollte. Das anspruchsvolle Projekt startete mit 150 Programmierern und geriet schnell ins Schleudern. Nach 5000 Mannjahren war die Software fertig – und voller Bugs. "Es war, als ob man ein Feuer mit Benzin bekämpft, das macht die Sache viel, viel schlimmer. Mehr Feuer braucht mehr Benzin und so beginnt ein Zyklus, der schließlich in einem Desaster endet", schrieb Brooks 1972 in seinem bekanntesten Essay "The Mythical Man-Month". Immerhin: das System/360 war 30 Jahre lang eine erhebliche Profitquelle von IBM.

Im Jahre 1964 entschied sich Brooks, an seiner Heimatuniversität von North Carolina den Studiengang "Computer Science" aufzubauen. Beeinflusst von einer Sketchpad-Demonstration durch Ivan Sutherland im Jahr 1965, entschloss sich Brooks, den Studiengang auf "Computergrafik und virtuelle Welten" zu spezialisieren, dieses Feld aber in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern der Universität zu bearbeiten. So entstand an einem IBM 2250 in Zusammenarbeit mit dem Biochemiker Jan Hermans das erste Computermodell der Proteinfaltung. Alltagspraktische Übungen in der virtuellen Realität waren hingegen die Gestaltung einer Küche und die Bewegungen in ihr. Doch für den christlich verankerten Brooks gab es eine Grenze: "Wenn die Forschung über die virtuelle Realität zu einer schlichten Erweiterung des Fernsehens wird, was ich für einen unheilvollen Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit und auf die Gesellschaft halte, dann ohne mich. So etwas sollen andere machen", schrieb Brooks.

Fred Brooks verstarb am 17. November 2022 im Alter von 91 Jahren.

(tiw)