Netto will gültiges Guthaben nicht einlösen

Prepaid-Guthaben verfallen oft nach einer gewissen Zeit. Damit das rechtens ist, muss der Anbieter dies auch deutlich kommunizieren. Netto tut dies nicht.

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Verwirrter Mann mit einem Kalender, auf dem das Jahr 3000 steht.

(Bild: c't)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Tim Gerber
Hinweis

Dies ist ein Beitrag aus c't 20/2023. Möglicherweise hat sich die Handhabung von Gutscheinen bei NettoKom inzwischen geändert.

Ende Juni 2017 erwarb Christoph H. im Netto-Markt um die Ecke ein Prepaid-Starterset der Hausmarke NettoKom. Das enthaltene Guthaben sollte laut Beleg bis zum 1. Januar des Jahres 3000 gültig sein. Mit dem Vertelefonieren des Guthabens sollte es also keine Eile haben, dachte sich der Kunde und ließ das Päckchen zunächst ungeöffnet. Später geriet es in Vergessenheit.

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Mitte Juli dieses Jahres brauchte Christoph H. dann doch einen neuen Mobilfunk-Zugang und erinnerte sich an das NettoKom-Set nebst Startguthaben. Doch seine Versuche, die enthaltene SIM-Karte zu aktivieren, schlugen allesamt fehl. Deshalb wandte er sich am 17. Juli per E-Mail an den Service von NettoKom. Er schilderte diesem, dass sich die SIM-Karte nicht aktivieren ließ, und führte dies auf den Umstand zurück, dass der Kauf bereits einige Zeit zurücklag. Da das bezahlte Startguthaben aber laut Beleg knapp tausend Jahre gültig sein sollte, wollte der Kunde nun wissen, auf welche Weise er es sich erstatten lassen könne. Dazu teilte er dem Service auch die zugeteilte Mobilfunknummer mit.

Nach zwei Tagen fragte NettoKom bei ihm nach der Nummer der SIM-Karte. Noch am selben Tag teilte Christoph H. auch diese Nummer dem Service mit. Am folgenden Tag antwortete das Service-Team von NettoKom dem Kunden: Bedauerlicherweise könne es weder die SIM-Kartennummer noch die genannte Handynummer in seinem System finden. Eine Rücknahme des Startpakets mit der SIM-Karte durch NettoKom sei nicht möglich. Der Umtausch liege im Ermessen der Filiale.

Auf dem Beleg ist klar und deutlich angegeben, dass das Startguthaben erst am 1. Januar des Jahres 3000 verfällt. Trotzdem soll der Kunde schon nach wenigen Jahren weder die versprochene Leistung erhalten noch sein Geld zurückbekommen.

Am 21. Juli suchte Christoph H. die Netto-Filiale auf, wo er das Set im Jahre 2017 erworben hatte. Das angesprochene Personal verwies ihn an die Filialleiterin. Die ließ sich das Problem schildern und nahm die mitgebrachten Belege des Kunden in Augenschein. Mehr als ein bedauerndes Kopfschütteln war der Verkaufsstellenleiterin aber nicht abzuringen: Sie sei für diese Sachen nicht zuständig. Das Guthaben von 6,90 Euro könne sie ihm leider auch nicht auszahlen. Derartiges könne sie nur auf Weisung aus der Zentrale des Netto-Konzerns im bayrischen Maxhütte-Haidhof ausführen, meinte die Chefverkäuferin.

An dieser starren Haltung vermochte auch der Protest des Kunden nichts zu ändern, den man schließlich wegen der Erstattung ausdrücklich an die Filiale verwiesen hatte, in deren Ermessen dies liegen sollte. Unverrichteter Dinge fuhr Christoph H. mit seiner SIM-Karte und dem Jahr-3000-Bon wieder nach Hause. Auf dem Weg beschaffte er sich eine neue SIM-Karte bei einem Netto-Konkurrenten. Doch auf sich beruhen lassen wollte er die Sache nicht und wandte sich noch am selben Tag per E-Mail an c’t. Es leuchte ihm ja ein, dass sich die SIM-Karte nach etlichen Jahren nicht mehr aktivieren lasse. Aber warum solle er sein Geld nicht zurückbekommen? Und wie könne verhindert werden, dass NettoKom weiterhin solch drastisch falsche Angaben zur Guthabengültigkeit gegenüber den Kunden mache, fragte er entrüstet.

Service im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de.

Wir fragten am 31. Juli bei der Pressestelle des Netto-Konzerns an und schilderten dieser die Erlebnisse von Christoph H. Dazu wollten wir wissen, wie es zu der Angabe auf dem Kassenbeleg gekommen war, dass das Guthaben bis zum Jahr 3000, also für 983 Jahre gültig sei. Und wie lange sollte das Guthaben nach Vorstellungen von Netto denn tatsächlich gelten und wann sollte es verfallen? Auf welche Weise wurden Kunden über den Verfall des Guthabens denn informiert? Dass sich die SIM-Karte nicht mehr aktivieren lässt, ist übrigens auch nicht so ohne Weiteres verständlich. Die zugehörige Rufnummer ist offenbar nach wie vor nicht vergeben.

Bei den inhaltlichen Bestimmungen, die NettoKom zu seinen Prepaid-Verträgen trifft und zu denen auch die Angaben auf dem Beleg gehören, dürfte es sich rechtlich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln. Zweifel bei deren Auslegung gehen nach bürgerlichem Recht stets zulasten desjenigen, der sie sich ausgedacht hat. So steht es in § 305c, Abs. 2 BGB. Die Angabe der Geltungsdauer bis zum Ende dieses Jahrtausends durfte Christoph H. also getrost für bare Münze nehmen und darauf vertrauen, dass das Guthaben nicht schon nach wenigen Jahren verfallen sollte.

Mit Hinweis auf diese Einschätzung wollten wir von Netto auch wissen, ob es sich bei der Datumsangabe mit dem Jahr 3000 möglicherweise um einen technischen Fehler handelte und ob dieser inzwischen abgestellt wurde. Werden inzwischen die richtigen Verfallsdaten angegeben?

Nachdem wir innerhalb einer Woche keine Antwort erhielten, obwohl wir ausdrücklich darum gebeten hatten, hakten wir am 7. August nach und wiesen die Pressestelle darauf hin, dass wir über den Fall von Christoph H. auch dann berichten würden, wenn wir gar keine Reaktion aus dem Hause Netto erhalten sollten. Wenige Stunden danach entschuldigte sich eine Pressesprecherin für die Verzögerung. Antworten auf unsere Fragen hatte sie aber nicht. Man wolle sich mit dem Kunden in Verbindung setzen, hieß es lediglich. Dieser könne sich auch an den Kundenservice wenden. Zu diesem Zweck teilte man die E-Mail-Adresse des Leiters dieser Abteilung mit.

Wie die Sache für Christoph H. am Ende ausgegangen ist, war zu Redaktionsschluss noch offen. Das mag nicht zuletzt an der Urlaubszeit gelegen haben. Unsere allgemeinen Fragen hätte Netto aber ohne Weiteres beantworten können. Darauf warten wir noch immer. Wenn es sein muss, auch bis zum Jahr 3000.

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(tig)