Erste Ausfahrt im Alfa Romeo Tonale: Zeichen der Moderne

Alfa Romeo erweitert mit dem Tonale sein SUV-Angebot nach unten. Heraus kommt dabei ein erfreuliches Auto in einem dicht besetzten Segment. Ein Fahrbericht.

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Alfa Romeo Tonale
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Inhaltsverzeichnis

Echten Alfisti muss es das Herz brechen: Die Marke konnte in den vergangenen Jahren überleben, weil sie mit dem SUV Stelvio erfolgreich war – und nicht mit der viel besser zur Tradition passenden und herausragend fahrenden Giulia. Für die Strategen war es also naheliegenden, den Versuch zu starten, den SUV-Erfolg eine Klasse unter dem Stelvio zu wiederholen. Das Ergebnis heißt Tonale und soll die Marke Alfa Romeo finanziell endgültig in sichere Häfen manövrieren. Wir konnten bereits eine erste Ausfahrt unternehmen.

Mit dem Tonale betritt Alfa Romeo das überreichlich gut gefüllte Segment der rund 4,5 Meter langen SUV. Mazda CX-5, Hyundai Tucson, Opel Grandland (Test), Audi Q3, VW Tiguan (Test) und Ford Kuga (Test) sind nur einige der vergleichbar großen Konkurrenten. Alfa Romeo sucht das Plätzchen zwischen all diesen so verschiedenen Gegnern ganz traditionell nicht mit sensationell niedrigen Preisen. In der von uns gefahrenen Version mit 118-kW-Benziner ist in der gehobenen TI-Ausstattung mit etwa 42.000 Euro zu rechnen. An Selbstbewusstsein mangelt es den Schöpfern des Tonale also ganz gewiss nicht.

Geboten wird dafür allerdings auch mehr als nur ein eigenständiges Design. Der Tonale wirkt schon in dieser frühen Phase der Produktion solide verarbeitet, auch bei den sichtbaren Materialien wurde nicht gespart. Zweifler an der Dauerhaltbarkeit will Alfa Romeo mit einer Fünf-Jahres-Garantie entgegentreten, was nicht das schlechteste Argument scheint. Andere Bedenkenträger werfen in die Diskussion, dass der Tonale sich die Plattform mit dem Jeep Compass teilen muss. Das ist nicht von der Hand zu weisen, wobei auf einer technischen Basis durchaus Autos entstehen können, die sich gänzlich unterschiedlich fahren. Was dabei herauskommt, wenn man halbherzig-lustlos nur die Hülle tauscht, lässt sich am Niedergang der traditionsreichen Marke Lancia nachvollziehen. Sie verendet.

Davon ist Alfa Romeo ein sicheres Stück entfernt, und der Tonale trägt dazu bei, die Marke in Sicherheit zu bringen. Denn das SUV lenkt leichtfüßig ein, die Lenkung ist recht direkt übersetzt. Sie könnte ein wenig mehr Rückmeldung liefern, was aber schon Klagen auf beträchtlichem Niveau ist. Zwar wird nie verheimlicht, ein SUV zu bewegen, innerhalb dieses Umfeldes aber gehört der Tonale trotz Frontantrieb fraglos zu den agilen Vertretern.

Da Alfa Romeo aber nicht nur die treuen Fans der Marke ansprechen will – und muss –, finden sich in der Preisliste auch noch ein paar der inzwischen üblichen Assistenten. Zu ihnen zählen ein Warner vor Autos im toten Winkel, eine 360-Grad-Ansicht zum leichteren Einparken, ein Notbremsassistent und sogar ein aktiver Spurhalte-Helfer. Die Einparkhilfe ist praktisch, der Rest, nun ja, er ist eben eingebaut und verlängert die Liste der Serienausstattung.

Drei Motoren sind auf dem deutschen Markt geplant: Zwei 1,5-Liter-Mild-Hybride und ein Plug-in-Hybrid. Für eine erste Ausfahrt stand der mit 118 kW stärkere der beiden Mild-Hybride zur Verfügung. Unterstützt wird der Verbrennungsmotor von einem 48-Volt-Starter-Generator, der im niedrigen Drehzahlbereich bis zu 15 kW und 55 Nm beisteuern kann. Alfa Romeo beteuert, dass die Version mit 118 kW Motorleistung extra entwickelt wurde und nur hier eingebaut werde. Dafür habe man einen neuen Zylinderkopf entworfen, in dem es auf Ein- wie Auslassseite eine Phasenverstellung der Nockenwellen gebe. Der Kraftstoff wird mit bis zu 350 bar eingespritzt und der Turbolader hat eine variable Geometrie. Alfa Romeo verspricht mit diesen Maßnahmen ein verbessertes Ansprechverhalten und mehr Drehmoment über ein größeres Drehzahlband gegenüber der Maschine, die im Compass eingebaut wird.

Alfa Romeo Tonale (10 Bilder)

Der Alfa Romeo tritt in einem bereits dicht besetzten Segment ziemlich eigenständig auf.

Das alles klingt ganz wunderbar, doch eher grau ist die Praxis. Wer es nicht eilig hat, erlebt einen kräftig genug erscheinenden Antrieb, der sich akustisch zurückhält. Das Bild wandelt sich, wenn das Leistungsvermögen abgerufen wird. Dann offenbart sich, dass die Maschine mit dem leer mindestens 1525 kg schweren Tonale ordentlich zu tun hat. Das Werk nennt 8,8 Sekunden im Standardsprint und 210 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe arbeitet für sich betrachtet akzeptabel. An die Treffsicherheit und Geschmeidigkeit beim Gangwechsel, mit der die Achtgang-Wandlerautomatik von ZF in der Giulia verwöhnt, reicht es aber nicht ganz heran.

Dazu kommt ein etwas knurriger Unterton, der vom Wohlklang längst vergangener Alfa-Zeiten Abstand hält. Insgesamt erscheint uns dieser Antrieb als Schwachpunkt im Gesamtbild. Versprochen werden im WLTP 6,3 Liter, der Bordcomputer gab nach unserem Ausflug 9,2 Liter/100 km aus. Zu berücksichtigen ist dabei zweierlei: Für eine seriöse Aussage zum Verbrauch war diese Ausfahrt zu kurz. Außerdem ist das Potenzial des angezeigten Konsums nach unten größer als das nach oben.

Einen großen Schritt hat Alfa Romeo bei der Unterhaltungselektronik vorgenommen. Das war nötig, denn mit dem, was in Stelvio und Giulia in dieser Hinsicht geboten wird, lässt sich eine nicht markenaffine Kundschaft nur schwerlich ansprechen. Das auf Android basierende System im Tonale erscheint mit Sprachassistenten Alexa, möglichen Updates über das Mobilfunknetz und der kabellosen Einbindung von Android Auto und Apple CarPlay zeitgemäß. Alfa hat zudem auf eine stark verspielte Oberfläche verzichtet, was der Bedienung guttut. Die in den tiefen Röhren liegenden Rundinstrumente zeigen, dass man auch bei einem Kombiinstrument mit Displays Tradition und Moderne verknüpfen kann.

Alfa Romeo dürfte gute Chancen haben, mit dem Tonale neue Kunden anzuziehen. Das Segment ist zwar bereits überreichlich besetzt, doch das SUV tritt eigenständig an und hat durchaus mehr zu bieten als einen großen Namen. Markantes Design, lange Garantie, solide Verarbeitung, gutes Platzangebot und leichtfüßiges Handling formen ein Gesamtangebot, das sich sehen lassen kann. Noch nicht recht überzeugt hat uns bei dieser ersten Ausfahrt der Antrieb. Gut möglich, dass der Plug-in-Hybrid schlussendlich die beste Wahl im Tonale wird. Ein Testwagen wird diese Frage klären.

(mfz)