Debian, Ubuntu & Co.: Was ist eine Distribution?

Ubuntu? Oder doch lieber Mint? Das eine Linux gibt es nicht, nur viele Varianten. Was macht eine Distribution überhaupt aus?

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Anna Kalinowsky
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Was macht Ubuntu zu Ubuntu? Linux gibt es in Form etlicher sogenannter Distributionen, vom bekannten Ubuntu, über Spezialisten wie Slax, bis hin zu Geheimtipps wie BunsenLabs. Wir zeigen Ihnen, wie sich Distributionen unterscheiden, was es mit Derivaten und Flavours auf sich hat.

Häufig wird einfach von Linux gesprochen, in der Art: "So sichert man Linux ab." Das ist gleich aus mehreren Gründen nicht ganz korrekt. Das beginnt damit, dass so eine Anleitung etwa für Debian und Ubuntu völlig anders aussehen müsste - aber dazu später. Und selbst die beiden als Linuxe zu bezeichnen, bringt manch einen Enthusiasten bereits auf die Palme: Es müsste genau genommen GNU/Linux heißen. Linux ist der von Linus Torvalds initiierte und betreute Kernel, der in den meisten Distributionen dafürt sorgt, dass aus der PC-Hardware überhaupt ein nutzbares Etwas wird. Dabei ist der Kernel aber ein wenig wie eine Werkbank: Ohne Werkbank als Grundlage lässt sich nicht werkeln - aber ohne Werkzeuge auch nicht.

Und da kommt das GNU ins Spiel. GNU steht für GNU's not Unix und ist ein Betriebssystem mit Ursprüngen in 1984 - mit einem bis heute nicht fertigen Kernel. Stattdessen kommt eben Linux als Kern zum Einsatz. Wenn also heute von "Linux" gesprochen wird, ist in der Regel die Kombination aus Linux-Kern und GNU-Werkzeugen gemeint. GNU/Linux, im Folgenen auch hier nur Linux, ist die Grundlage für Ubuntu, Debian, OpenSuse, BunsenLabs und die vielen Hundert weiteren Distributionen.

Das auffälligste Merkmal einer Distribution wird schon jetzt sehr schnell klar: Das reine GNU/Linux bietet lediglich ein Terminal, keine grafische Umgebung. Sie könnten also GNU Utilities, Linux-Kernel und einen Desktop wie zum Beispiel Gnome kombinieren und hätten schon eine eigene Distribution. Nun, natürlich müssten Sie sie dafür auch tatsächlich öffentlich zugänglich machen und verteilen, eben distribuieren - daher der Name.

Desktop-Umgebungen können auch innerhalb einer Distribution gewechselt werden.

Eine Desktopumgebung ist aber viel mehr als "nur" die reine grafische Oberfläche. Die meisten Desktops haben auch etliche eigene Tools, so programmiert, dass sie vor allem auch optisch gut in das System passen und sich viele Ressourcen teilen können.

Generell sind Tools ein weiteres Merkmal für eine Distribution. Mal gibt es Dutzende vorinstallierte Tools, um dem Nutzer ein echtes Komplettsystem zu spendieren. Mal gibt es nur das Notwendigste, damit Nutzer sich nicht mit Ballast herumschlagen müssen. Eine Frage der Philosophie.

Debian macht es deutlich: Debian-eigene Tools haben ein eigenes Menü.

Das Gleiche gilt auch für die Voreinstellungen der Tools, des Kernels, der Desktopumgebung und überhaupt allen einstellbaren Aspekten des Systems. Die eine Distribution möchte es Otto Normalverbraucher beispielsweise nur möglichst einfach machen, die nächste Distri legt mehr Wert auf Sicherheit und verlangt vom Nutzer entsprechend mehr Einrichtungsaufwand.

Das betrifft auch den vielleicht wichtigsten Punkt, wenn es um die Wartung des Systems geht: Updates. Freilich ist die Update-Politik wiederum eine philosophische Frage: Bei fixen Releases (Veröffentlichungen) bekommen Sie zum Beispiel einmal pro Jahr eine neue Version - und müssen entsprechend upgraden. Bei Rolling Releases installieren Sie hingegen nur einmal und das System wird über Jahre hinweg aktuell gehalten, ohne dass Sie eingreifen müssten. Bei Ubuntu zum Beispiel gibt es neue Versionen in fixen Intervallen, die aber auch jeweils über dieses Intervall hinaus mit Updates wie Sicherheits-Patches versorgt werden. Die sogenannten LTS-Versionen (Long Term Support) von Ubuntu bleiben ganze 60 Monate aktuell.

Und wer entscheidet all dies? Natürlich das Projekt hinter der Distribution. Und das ist ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor. Ubuntu zum Beispiel wird maßgeblich von der Firma Canonical entwickelt beziehungsweise herausgegeben. Der Vorteil dürfte hier sein: Als Firma ist man sehr auf Endnutzer fixiert, auf einfache Handhabung, polierte Oberflächen und generell Einfachheit. Aber so ein kommerzieller Hintergrund bringt auch Nachteile: Beispielsweise hat Canonical irgendwann Amazon-Werbung in den Desktop eingebaut, was die Ubuntu-Community überhaupt nicht lustig fand. Wie auch bei Betriebssystemen von Apple oder Microsoft wird eben nicht immer im Sinne der Nutzer entschieden. Debian hingegen wird von einer Community gepflegt und zielt wesentlich mehr auf professeionelle oder versiertere Anwender ab. Dinge wie Werbung müssten Sie hier nie fürchten - dafür ist aber schon das Auffinden der richtigen Download-Datei für Laien ziemlich furchtbar ...

Dabei sind Ubuntu und Debian eigentlich voll und ganz auf einer Wellenlänge: Ubuntu nimmt nämlich einfach Debian als Basis und verändert dann Standard-Desktop, Tools, Einstellungen, Update-Politik und so weiter. Ubuntu ist ein Derivat von Debian. Das ist das Schöne an Open Source Software: Jeder kann sich so eine Software nehmen, nach lizenzrechtlichen Regeln verändern und mit neuem Design, neuem Logo und neuem Namen vertreiben. Ubuntu ist dermaßen erfolgreich, dass es auch von Ubuntu selbst wiederum Hunderte Derivate gibt - quasi Enkelkinder von Debian.

Natürlich ist jedes Derivat wiederum eine eigene Distribution. Im Grunde geht es nur darum, sich die Arbeit zu vereinfachen. Ein Projekt wie Debian lässt sich nicht mit drei Leuten stemmen, eine Distribution auf Debian-Basis hingegen sehr wohl. Manche Nutzer treiben die Anpasserei Ihres eigenen Systems soweit, dass sie im Grunde eine Distribution für sich selbst betreiben.

Ubuntu mit KDE-Desktop und -Tools: Verfügbar als Flavor Kubuntu.

Debian ist also quasi eine Ur-Distri und Ubuntu eine davon abgeleitete Derivat-Distri - aber was sind dann Kubuntu, Lubuntu etc.? Viele Distris gibt es mit unterschiedlichen Desktopumgebungen. Manchmal gibt es die Desktops einfach als Auswahl während der Installation, teils werden aber auch Unterprojekte gepflegt, die dann eben Ubuntu nicht mit Gnome, sondern beispielsweise KDE (Kubuntu) oder LXDE (Lubuntu) anbieten. Oft heißen solche teil-eigenständigen Versionen Flavours (Geschmäcker), aber das ist kein fester Begriff. Bei einigen Projekten sind diese Flavours auch in anderen Facetten zu sehen, beispielsweise Light-Versionen mit weniger Standardausstattung oder riesige "DVD-Versionen", die das halbe Internet enthalten. Eigene Distris sind solche Flavours dann aber nicht.

Im Grunde ist jetzt klar, was Distribution, Derivat und Flavour meinen. Für die Übersicht ist aber noch ein Blick auf das große Ganze interessant. Neben Debian gibt es nämlich noch weitere eigenständige Distributionen, die keine Derivate sind - aber wiederum als Grundlage für Derivate dienen. Die Grundlagen für diese Distri-Familien sind vor allem Debian, Arch Linux, Red Hat und Ubuntu, auch wenn Ubuntu wie gesagt ein Debian-Derivat ist. Zu den bekanntesten Derivaten gehören etwa Linux Mint und elementary (Ubuntu), Kali Linux und Raspbian (Debian), Manjaro und Antergos (Arch) sowie die Red-Hat-Derivate Fedora und CentOS.

Hinzu kommen noch allerhand eigenständige Distributionen ohne großen Tross an Nachfolgern, zum Beispiel Slackware, Gentoo, OpenSuse, Puppy Linux oder das winzige Tiny Core Linux. Bei Wikipedia gibt es wunderbare grafische Übersichten der Familien und Derivate - das öffnet einem wirklich die Augen!

Übrigens: Der große Vorteil dieses Familien-Wissens: Der Umstieg innerhalb einer Familie ist meist wesentlich einfacher. Von Ubuntu auf Mint ist ein winziger Schritt - von Ubuntu auf CentOS der freie Fall aus einem Flugzeug.

Linux Mint ist als Debian-/Ubuntu-Derivat für Ubuntu-Nutzer sehr einfach zu erlernen.

Zum Schluss soll aber noch ein kleines Beispiel zeigen, dass sich Distris nicht nur im Großen unterscheiden, bei Dingen wie Desktop oder Update-Politik. Nehmen Sie mal Ubuntu und Debian und zwei Details, die gerade für normale Nutzer enorme Unterschiede machen:

  • Paketauswahl: Debian setzt auf Stabilität, weshalb über den Paketmanager häufig völlig veraltete Versionen von Programmen wie etwa Gimp installiert werden. Ubuntu möchte seine Nutzer lieber mit allen aktuellen Features versorgen und liefert über das Paketmanagement entsprechend aktuellere Versionen.
  • Root-Rechte: Wenn Sie unter Debian mit root-Rechten arbeiten wollen, ist der Standardweg, via "su" zum Nutzer "root" zu wechseln - und nach getaner Arbeit wieder zurück. Unter Ubuntu hingegen werden dem Nutzer via "sudo" vor einem Befehl temporär root-Rechte für eben diesen Aufruf gewährt - ein explizites Beenden der root-Sitzung ist nicht erforderlich. Auch hier liegt der Grund wieder darin, dass Debian fachkundige Nutzer adressiert, Ubuntu aber Otto Normalverbraucher.

Nun wissen Sie, was eine Distri ausmacht und können sich gut nach einer geeigneten Variante umschauen - ein guter Ansatzpunkt dafür ist immer die Seite http://distrowatch.com. Ein Tipp noch für Linux-Einsteiger: Die schiere Größe eines Projekts ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil!

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(anka)