Der Superbaum, der das Klima retten soll

Ein Start-up aus dem Silicon Valley will Bäume so behandeln, dass sie mehr Kohlenstoff binden und die Atmosphäre abkühlen. Große Klimalösung oder Hype?

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(Bild: Ana Miminoshvili)

Lesezeit: 34 Min.
Von
  • Boyce Upholt
Inhaltsverzeichnis

Vor dreiundfünfzig Millionen Jahren war es auf der Erde viel wärmer als heute. Selbst im Arktischen Ozean herrschten milde Temperaturen – eine fast tropische Umgebung, die an Florida erinnerte, mit sich wiegenden Palmen und umherstreifenden Krokodilen. Dann wandelte sich die Welt. Die Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre sank drastisch, und die Dinge begannen sich auf die heutigen Bedingungen abzukühlen, was bedeutet, dass Gletscher weit über die Pole hinaus bestehen bleiben können.

Was die Ursache für diese Veränderung war, blieb jahrzehntelang unklar. Schließlich bohrten Wissenschaftler im arktischen Schlamm und entdeckten einen möglichen Hinweis: eine bis zu 20 Meter dicke Schicht versteinerter Süßwasserfarne. Die Fundstelle deutet darauf hin, dass der arktische Ozean zeitweise von riesigen Matten kleinblättriger, aquatischer Azolla-Farnen bedeckt gewesen sein könnte. Azolla-Farne gehören zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen des Planeten. Die Wissenschaftler stellten daher die Theorie auf, dass solche Farne, wenn sie den Ozean bedecken, riesige Mengen an CO₂ verbraucht haben könnten, was dazu beitrug, die Atmosphäre von Treibhausgasen zu befreien und damit den Planeten abzukühlen.

Patrick Mellor, Paläobiologe und Chief Technology Officer des Start-ups Living Carbon, zieht aus der Geschichte über diese winzigen Farne eine Lehre: Die Photosynthese könne die Welt retten. Bestimmte Bedingungen scheinen den Azollas damals geholfen zu haben. Die Anordnung der Kontinentalplatten zu jener Zeit bedeutete, dass der Arktische Ozean größtenteils eingeschlossen war. Wie ein riesiger See, so dass sich eine dünne Schicht süßen Flusswassers auf ihm ansammeln konnte, was die Bedingungen schuf, die die Farne benötigten. Und wenn eine Generation von Farnen starb, lagerten sie sich in salzhaltigerem Wasser ab, das den Zerfall hemmte und Mikroben davon abhielt, den in den Farnen gespeicherten Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre freizusetzen.

Laut Mellor können wir aber nun nicht Millionen von Jahren warten, bis die richtigen Bedingungen wiederkehren. Wenn wir wollen, dass die Pflanzen wieder das Klima retten, müssen wir sie dazu anspornen. "Wie können wir ein anthropogenes "Azolla-Ereignis" herbeiführen?", fragt er. Mellor und seine Firma wollten das angehen. Bei Living Carbon versucht Mellor, Bäume zu entwickeln, die schneller wachsen und mehr Kohlenstoff binden als ihre natürlichen Artgenossen – und außerdem der Fäulnis widerstehen und den Kohlenstoff aus der Atmosphäre fernhalten.

Im Februar, weniger als vier Jahre nach seiner Gründung, sorgte das Unternehmen für erste Schlagzeilen, als es seine ersten "photosyntheseverstärkten" Pappelbäume in einem Streifen von Flachlandwäldern in Georgia pflanzte. Das war zweifellos ein Durchbruch: Es ist der erste Wald in den Vereinigten Staaten, in dem gentechnisch veränderte Bäume stehen.

Aber es gibt noch vieles, was wir über die Technik nicht wissen. Wie werden sich diese Bäume auf den Rest des Waldes auswirken? Wie weit werden sich ihre Gene verbreiten? Hat das Auswirkungen auf die Natur? Und wie gut sind sie wirklich dazu imstande, der Atmosphäre mehr Kohlenstoff zu entziehen?

Living Carbon hat bereits CO₂-Emissionsgutschriften für seinen neuen Wald an Endkunden verkauft, die einen Teil ihrer eigenen Treibhausgasemissionen gegen Bezahlung ausgleichen wollen. Das Unternehmen arbeitet mit größeren Firmen zusammen, denen es in den kommenden Jahren einen solchen Handel anbieten will. Wissenschaftler, die sich mit der Gesundheit der Wälder und der Photosynthese von Bäumen befassen, bezweifeln allerdings, dass die Bäume wirklich so viel Kohlenstoff absorbieren können, wie behauptet wird.

Selbst Steve Strauss, ein bekannter Baumgenetiker der Oregon State University, der kurzzeitig im wissenschaftlichen Beirat von Living Carbon saß und Feldversuche für das Unternehmen durchführt, sagte in den Tagen vor der ersten Pflanzung, dass die Bäume möglicherweise nicht so gut wachsen werden wie natürliche Pappeln. "Ich bin da etwas zwiegespalten", meint er. Mit anderen Worten: Er wirft Living Carbon vor, etwas zu optimistisch bei Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung zu agieren. Es sei unklar, ob die Idee funktioniert.