Mercedes C 300 Mildhybrid im Test: Rückbesinnung auf alte Stärken

Seite 2: Infotainment, Assistenz, Materialauswahl

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Lange haben die C-Klasse-Fahrer auf das Infotainmentsystem MBUX verzichten müssen, mit dem Modellwechsel ist das nun auch hier zu haben. Es ist ein riesiger Schritt: Gerade die Sprachsteuerung funktioniert weitgehend so, wie man sie sich schon immer gewünscht hat. Selten muss man Befehle wiederholen. Der Umfang dessen, was sich auf diesem Weg bedienen lässt, ist enorm. Wer sich damit nicht anfreunden mag, wird rasch feststellen, dass sich Mercedes viele Gedanken um eine intuitive Oberfläche bemüht hat. Trotz eines gewaltigen Funktionsumfangs findet man sich schnell zurecht. Die Displays lösen sehr hoch auf, dem Rechentempo ist anzumerken, dass Mercedes hinter den Kulissen nicht an Hardware gespart hat.

Ganz lustig ist die Idee des Überraschungsmixes. Dabei wird beispielsweise die Bibliothek des USB-Sticks ausgewertet und 100 Titel zusammengewürfelt. Bei mir startete der erste Versuch mit U2s "I will follow" – keine schlechte Wahl. Noch etwas geschickter arbeiten könnte die KI bei der Titelauswahl. Denn in der gut durchmischten Abspielliste tauchen dann auch mal ein Zwischen-Häppchen von einem Hörbuch auf. Im konkreten Fall folgte auf Jonas Kaufmann ein Dialog aus Assassini, dem sich dann Grönemeyer anschloss. Überraschungsmix umschreibt die Funktion also ziemlich exakt.

Nicht alles im Bereich der Unterhaltungselektronik ist gelungen: Der riesige Bildschirm in der Mitte sitzt niedriger als im Vorgänger und lenkt so den Blick stärker ab. Die Entscheidung, die Bedienung der Klimaautomatik auf das Display zu verlegen, ist in der Praxis weniger schlecht als zuvor befürchtet. Leider geht Mercedes den Trend mit, immer mehr Funktionen über Wischflächen zu steuern. Doch ob nun am Schiebedach, auf dem Lenkrad oder in der Mittelkonsole: Wirklich überzeugend funktioniert das meines Erachtens nirgendwo. Immer mal wieder müssen Eingaben wiederholt oder korrigiert werden. Es mag sein, dass man diese Dysfunktionalität irgendwann nicht mehr wahrnimmt. Beim Umstieg aus dem Vorgänger wird einem aber bewusst, dass das schon einmal deutlich besser gelöst war.

Von einem Auto dieser Preisklasse und dieses Anspruchs darf sich der Fahrer erhoffen, mit allerlei Assistenten beim Fahren spürbar entlastet zu werden. Schließlich ist die C-Klasse auf der Langstrecke daheim, dort spielt sie ihre Stärken aus. In der Tat ist bemerkenswert, auf welchem Niveau die Helfer inzwischen arbeiten: Der Abstandstempomat regelt nochmals feiner und sanfter als im Vorgänger. Die Kameras der Einparkhilfe liefern ein brillantes Bild.

Das teure Matrix-Licht ist auf nächtlichen Landstraßen eine Wohltat und ein enormer Sicherheitsgewinn. Es löst nun noch feiner auf als im Vorgänger, die notwendigen Schatten sind nochmals präziser geschnitten. Auch die Erkennung von Verkehrsschildern, obgleich nicht immer fehlerfrei, gehört zu den besten auf dem Markt. Keinesfalls verschwiegen sei jedoch, dass sich diverse Helfer nach etlichen Kilometern auf der Autobahn auf einmal verabschiedeten, ohne das ein Grund ersichtlich gewesen wäre. Nach einer Pause waren sie alle wieder auf ihrem Posten.

Mercedes C 300 innen (21 Bilder)

Außen mag Mercedes die C-Klasse nur sanft verändert haben, innen hat sie mit ihrem erfolgreichen Vorgänger kaum mehr etwas gemein. Alles wirkt moderner, funktional allerdings ...

Die für mich größte Enttäuschung liefert Mercedes aber in einem anderen Bereich ab, was auch daran liegen mag, dass ich in dieser Hinsicht empfindlich bin und mit einer Schwäche nicht gerechnet hatte. Der Anteil an harten Kunststoffen im Innenraum ist erstaunlich hoch. Das feine Leder an Lenkrad und Sitzen, die edlen Hölzer der Interieurleisten werden eingerahmt von zum Teil billigem Hartplastik. Die hintere Verkleidung der Kopfstützen ist angesichts der aufgerufenen Preise und des immer wieder vorgetragenen Anspruchs eine tapfere Ansage. Der Opel Corsa-e meiner Frau steckt den teuren Mercedes an dieser Stelle locker in die Tasche, der eigene Vorgänger ebenfalls. Der Rückschritt in diesem Bereich ist nicht zu übersehen.

Es gibt Fortschritte gegenüber dem Vorgänger, die nicht zu leugnen sind. Das Auto fährt insgesamt ausgezeichnet, doch an einigen Stellen wird man das Gefühl nicht los, dass es der Hersteller ist, der am meisten vom Modellwechsel profitiert. Diese Idee hatte Mercedes nicht etwa als Erster. Doch es ist bemerkenswert, wie deutlich sichtbar für Fahrer sie in dieser Klasse an die Oberfläche transportiert wurde. Es ist das Experiment, wie weit man bei der Kundschaft gehen kann, ohne massenhaft Protest einzusammeln.

Mercedes hat damit schon einmal Erfahrungen gesammelt: Bei der 2007 vorgestellten C-Klasse wirkten manche Materialien innen schlichter als sie tatsächlich waren. 2011 rüsteten die Schwaben auf aufwendig nach. Gut möglich, dass Mercedes hier wieder schneller nachlegen muss als die Controller hoffen. Schließlich hat die Marke eine ziemlich anspruchsvolle Kundschaft, deren Murren man im ureigensten Interesse besser nicht überhört.

Die Kosten für die Überführung hat Mercedes übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.